Hallo in die Runde,
zuerst einmal möchte ich mich entschuldigen für Wirbel gesorgt zu haben.
Der veröffentliche Text, für den es für mich d´accord geht, dass er wieder ausgeblendet wurde, wurde alleine von mir gepostet.
Das Team hat nichts damit zu tun.
Ich habe intern (es gibt noch einen kleinen Bereich, wo ich als Ehemalige reinschauen kann) eine Klärung des Themas angestoßen bzw. erbeten und meine Position dargelegt.
Das möchte ich auch für euch tun.
Gerade von weg kamen viele Fragen und Vermutungen, die ich aber nicht einzeln abarbeiten möchte.
Ich bin eine Waage vom Sternzeichen her und lege großen Wert auf Ausgewogenheit und umfassende Perspektiven.
Dazu gehört für mich auch, dass ich mir immer gewahr bin, dass Hoffnung und Verzweiflung, Leben und Tod oft erschreckend nah beieinander liegen.
Ich habe den Bericht nur aus einem einzigen Grund veröffentlicht und dieser entspricht der Intention der Verfasserin, die darum gebeten hat, dass ihr Tod nicht vergebens ist und dass dieser Text verbreitet wird.
Dieser Bitte wollte auch ich, als Benzo-Überlebende, nachkommen.
Man muss keine "Bösartigkeit"
oder tiefergehende Psychothemen als Motiv annehmen , sondern das war der Hauptgrund.
Mir war allerdings nicht ganz klar, wie sehr das auf Ablehnung stößt, denn ich hielt es für mich (ich rede nur von mir) für eine Selbstverständlichkeit, dass alle Menschen hier wissen, dass Entzüge manchmal auch nicht so ausgehen, wie man erhofft.
Ich tue mir etwas schwer damit den Tod auszublenden.
Vielleicht, weil ich biographisch bedingt selber so nah dran gewesen bin und das eines meiner Themen ist.
Die Komplikationen nach der Herz-OP haben zu einer Situation geführt, in der ich mit einem Bein bereits im Jordan stand, um bildlich zu bleiben, und ich habe nur mit großem Glück und himmlischem Schutz meinen Herzkreislaufstillstand überlebt.
Ich wäre sonst einfach sang und klanglos nachts verstorben und da ich den ganzen Prozess aktiv mitbekam, ist da auch nichts nebulös oder verwaschen.
Ich kann nicht mehr zurück hinter diese Erfahrung, denn sie geschah sehr jung, als ich 21 war, und jetzt gehe ich langsam auf die 40 zu und alles ist komplett verwandelt seitdem.
Mir ist klar, dass ich genauso gut jetzt nicht existieren könnte.
Ich denke das verändert meinen Umgang mit dem Thema Tod.
Das zweite Mal, bei dem ich dem Tod sehr nahe war, war tatsächlich innerhalb meines Entzugs, aber nicht bei den Benzos, sondern beim Sertralin. Das war das mit Abstand Schlimmste in meinem Leben und ich habe auf dem Bett gelegen und mir den Tod herbeigewünscht, denn alles hat nur besser sein können als diese elende Siechtum. Dachte ich zumindest.
Heute bin ich froh gekämpft zu haben.
Nun habe ich mich heute also hingesetzt und drüber gegrübelt, warum ich mit dem Bericht auf solche Ablehnung gestoßen bin und habe folgendes entdeckt. Ich hatte es vorher intuitiv irgendwie geahnt, konnte es aber nicht näher mit Inhalt füllen.
Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass ich Überlebende bin.
Und ihr seid noch am Überleben.
Dies ist fundamental wichtig. Mit Clarissa und Berlin 2013, mit denen ich oft genug nicht einer Meinung war / bin, und die sich für den Verbleib des Textes einsetzen, eint mich, dass wir es alle drei hinter uns haben.
Wir sind Überlende.
Wir haben es geschafft.
Und es liegen mittlerweile Jahre zwischen uns und Entzug.
Und nein, kein Grund sich als was Besseres zu fühlen, bloß nicht.
Aber das macht was mit einem.
Ich will sagen, dass ich glaube, dass ich gestern nicht begriffen habe, dass ich auf einem mental anderen Stand (kein besserer, ein anderer) bin als andere, die noch direkt im Entzugs-struggle sind.
Insofern meine Entschuldigung an alle und ich hoffe, sie wird angenommen.
Nun habe ich Einfühlungsvermögen und bin empathisch (ich hoffe nicht, dass das zur Disposition steht), aber es gibt etwas, das mir wesenseins geworden ist und das ist, dass ich mir aufgrund dessen, was ich durchgemacht habe, aber auch mit dem Wissen, es überlebt zu haben, eine gewisse Form von Sachlichkeit und auch Distanz aufgebaut habe und solche Berichte nicht mehr so "persönlich" nehme. Sie berühren mich, aber sie greifen mich nicht an.
Ich kann mitschwingen, aber lasse mich nicht runterziehen.
Ich habe hier verpasst nachzuspüren, dass es nicht allen so gehen kann / wird und das tut mir leid.
Was mich ganz persönlich mehr mitnimmt als Suizidthemen:
Mich greift mehr an, wenn ich hier die verzweifelten Hilferufe lese.
Sehr getriggert hat mich das eine Video, da gab es auch eine Triggerwarnung, wo die Frau von Akathisie betroffen ist und während des Videos keine Sekunde still steht.
Da ich erwachsen bin, mache ich keinem einen Vorwurf, denn ich entscheide, was ich mir anschaue und was nicht und wenn Trigger davor steht, sollte ich gewarnt sein.
Insofern kein Thema.
Dennoch schwere Kost, denn Akathisie war auch mein Thema und gerade darum bin ich hier vulnerabeler als evtl. bei anderen Sachen.
Aber so geht es doch jedem hier - jeder hier hat seine ganz eigenen Schmerzthemen, nicht wahr?
Ich hoffe ich konnte nun zur Klärung und Erklärung beitragen.
Namaste
Jamie
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Satz ergänzt