Zum Placebo-Antidepressivum Agomelatin (VALDOXAN)
Verfasst: 20.02.2007 13:35
Die Diskussion um die schlecht belegte Wirksamkeit der SSRI-Antidepressiva (vgl. Lebensgefährliche Plazebos) hat bei der sonst eher pharmafreundlichen EU-Arzneimittelbehörde EMEA offenbar zu einem Umdenken geführt: Das neue "schlaffördernde Antidepressivum" Agomelatin (VALDOXAN) der französischen Firma Servier fiel in der Wirksamkeitsbewertung gnadenlos durch. Der Hersteller hat seinen Widerstand gegen die Ablehnung aufgegeben; das Zulassungsverfahren ruht.[1]
Agomelatin soll über einen neuartigen Wirkmechanismus verfügen und wie das körpereigene Hormon Melatonin mit dessen MT-Rezeptoren interagieren. Allerdings konnte für Melatonin selbst kein eindeutiger schlaffördernder Effekt, geschweige denn eine antidepressive Wirkung gezeigt werden, so dass das Wirkprinzip fragwürdig scheint.[2]
Die Pharma-PR und die Mietpresse feierten das neue Medikament schon in den höchsten Tönen: Es solle ähnlich effektiv sein wie die bekannten SSRI- und SNRI-Antidepressiva, aber so gut wie keine Nebenwirkungen aufweisen.
Das zuständige EMEA-Gremium begründet seine Entscheidung auch nicht mit befürchteten Risiken, sondern mit der nicht nachgewiesenen Wirkung: Der antidepressive Effekt ist so geringfügig, dass ein Inverkehrbringen nicht gerechtfertigt scheint. Wie von anderen "modernen" Antidepressiva bekannt, konnte eine langfristige Besserung unter Agomelatin nicht nachgewiesen werden, und die Wirksamkeit in Kurzzeitstudien lag unwesentlich über der von Scheinmedikament (Placebo).[1] Dadurch würden selbst die "nicht vorhandenen" Nebenwirkungen nicht aufgewogen.
Somit bestätigt der Vorgang eine alte Faustregel der Pharmakologie: Was keine Nebenwirkung hat, zeigt auch keine Hauptwirkung. Die Marketing-Behauptung, dass dieses Placebo-Antidepressivum "genauso effektiv" sei wie Paroxetin, Venlafaxin und andere eingeführte Antidepressiva, deutet wohl am ehesten auf deren mangelnden Nutzen hin.
Die begonnenen Studien mit Agomelatin laufen weiter. Die Firma Servier wird die Zeit nutzen, um weitere Daten zu produzieren[*] und in ein bis zwei Jahren einen neuen Anlauf zur Zulassung unternehmen, wie aus der jüngeren Werbung hervorgeht.
-Philipp-R. Schulz
<hr>
[1] VALDOXAN/THYMANAX: CHMP-Empfehlung (PDF); EMEA, 18.11.2006.
[2] BMJ 2006;332:385-393.
[*] aR/SCHLAGLICHT 2006: Archiv-Artikel folgt.
-- Beitragstitel am 29.01.2008 geändert (war: "EU-Behörde stoppt Placebo-Antidepressivum VALDOXAN")/-PhilRS.
Agomelatin soll über einen neuartigen Wirkmechanismus verfügen und wie das körpereigene Hormon Melatonin mit dessen MT-Rezeptoren interagieren. Allerdings konnte für Melatonin selbst kein eindeutiger schlaffördernder Effekt, geschweige denn eine antidepressive Wirkung gezeigt werden, so dass das Wirkprinzip fragwürdig scheint.[2]
Die Pharma-PR und die Mietpresse feierten das neue Medikament schon in den höchsten Tönen: Es solle ähnlich effektiv sein wie die bekannten SSRI- und SNRI-Antidepressiva, aber so gut wie keine Nebenwirkungen aufweisen.
Das zuständige EMEA-Gremium begründet seine Entscheidung auch nicht mit befürchteten Risiken, sondern mit der nicht nachgewiesenen Wirkung: Der antidepressive Effekt ist so geringfügig, dass ein Inverkehrbringen nicht gerechtfertigt scheint. Wie von anderen "modernen" Antidepressiva bekannt, konnte eine langfristige Besserung unter Agomelatin nicht nachgewiesen werden, und die Wirksamkeit in Kurzzeitstudien lag unwesentlich über der von Scheinmedikament (Placebo).[1] Dadurch würden selbst die "nicht vorhandenen" Nebenwirkungen nicht aufgewogen.
Somit bestätigt der Vorgang eine alte Faustregel der Pharmakologie: Was keine Nebenwirkung hat, zeigt auch keine Hauptwirkung. Die Marketing-Behauptung, dass dieses Placebo-Antidepressivum "genauso effektiv" sei wie Paroxetin, Venlafaxin und andere eingeführte Antidepressiva, deutet wohl am ehesten auf deren mangelnden Nutzen hin.
Die begonnenen Studien mit Agomelatin laufen weiter. Die Firma Servier wird die Zeit nutzen, um weitere Daten zu produzieren[*] und in ein bis zwei Jahren einen neuen Anlauf zur Zulassung unternehmen, wie aus der jüngeren Werbung hervorgeht.
-Philipp-R. Schulz
<hr>
[1] VALDOXAN/THYMANAX: CHMP-Empfehlung (PDF); EMEA, 18.11.2006.
[2] BMJ 2006;332:385-393.
[*] aR/SCHLAGLICHT 2006: Archiv-Artikel folgt.
-- Beitragstitel am 29.01.2008 geändert (war: "EU-Behörde stoppt Placebo-Antidepressivum VALDOXAN")/-PhilRS.