Hallo liebe Leute,
ich habe jetzt das Thema "Kügelchen-Methode" gelesen und dabei ist mir aufgefallen, dass es Unsicherheiten gibt wegen der schwankenden Anzahl der Kügelchen in einer Kapsel.
Dazu möchte ich folgendes beitragen:
Wenn eine neue Wirkstoff-Charge produziert werden soll, müssen zunächt neue Kügelchen (Pellets) hergestellt werden.
Dazu werden große Trommeln benutzt, die so ähnlich wie Betonmischer aussehen. Man schüttet zuerst eine neutrale Trägersubstanz in die Trommel und sprüht dann eine abgemessene Menge des Wirkstoffs langsam hinzu, während sich die Trommel dreht.
Nach tagelangem Drehen hat sich der Wirkstoff dann gleichmäßig mit der Trägersubstanz vermischt.
Beispiel: 200kg Trägersubstanz + 1 Liter der Wirkstoff-Lösung ergibt also rund 200kg "Rohmasse". Wenn später jede Kapsel 2g enthält, entspricht dies: 200.000g Rohmasse/2g pro Kapsel = 100.000 Kapseln, also 1000 Packungen zu 100 Kapseln. Zumindest theoretisch.
Aber zuerst muss die "Rohmasse" noch in Pelletform gebracht werden, wozu eine andere Maschine dient. Je nach Wirstoff und Trägersubstanz kann man das Verfahren auch umdrehen: erst Pellets machen und dann den Wirkstoff dazusprühen.
Man hat also jetzt eine Badewanne voll mit Pellets. Je nachdem, wie lange die Pelletier-Maschine gelaufen ist, sind die Pellets mal kleiner und mal größer. Das ist so wie im Bäcker-Handwerk: die Brötchen, die aus per Hand gerollten Teigklumpfen entstehen, sind auch nicht alle gleich groß.
Auch andere Faktoren spielen eine Rolle, z.B. die Luftfeuchtigkeit oder die Temperatur, die Geschwindigkeit der Pelletier-Maschine.
Woher soll man nun wissen, wie viele Pellets in eine Kapsel gepackt werden müssen, um einen exakt vorgegebenen Wirkstoff-Gehalt zu erreichen? Das geht eigentlich recht einfach, indem man einen großen Messbecher Pellets aus der "Badewanne" nimmt, exakt abwiegt und chemisch analysiert, um den exakten Wirkstoff-Gehalt zu ermitteln.
Daraus kann dann berechnet werden, wieviel der Pellets nun exakt in eine einzelne Kapsel gefüllt werden müssen, um den gewünschten Wirkstoff-Gehalt zu erreichen. Wohl bemerkt: es ist hier das Gewicht der Pellets, das berechnet wird, nicht deren Anzahl. Die Kapseln werden ja auch nicht mit einer bestimmten Anzahl von Pellets befüllt, sondern mit einem bestimmten Gewicht. Ausnahmen hiervon sind "Riesenpellets", die wie Minitabletten aussehen und von denen jeweils nur eine geringe Anzahl (unter 10) in einer Kapsel sind. Aber immer dann, wenn es sich um eine größere Anzahl Pellets je Kapsel handelt, wird nach Gewicht vorgegangen und nicht nach Anzahl.
Der Aufwand, eine Maschine zu entwickeln, die immer dieselbe Anzahl von Minipellets (z.B. 250) in eine Kapsel füllt, wäre viel zu groß und sicher extrem anfällig für Fehler.
Jede neue Charge eines Medikamentes wird natürlich anhand einer exakt vorgegebenen Arbeits-Anleitung hergestellt. Aber was ist schon exakt? Wenn in der Arbeits-Anleitung z.B. steht "Gemisch 48 Stunden in der Trommel drehen" - wird das dann ganz exakt nach 48 Stunden beendet oder 1 Stunde früher oder später? Aus Sicht des Produktions-Betriebs ist das nicht so wichtig, weil der Wirkstoff-Gehalt der Pellets ja sowieso später exakt gemessen wird.
Wenn man aber an die Kügelchenmethode denkt, ist es natürlich irritierend, wenn eine neue Charge des Medikaments durchschnittlich 30 Pellets pro Kapsel mehr enthält. Aber wenn man weiß, dass die Herstellung der Pellets äußeren Einflüssen unterliegt, kann man sich beruhigen und muss nicht jede einzelne Kapsel durchzählen. Hier kann man sich darauf beschränken, nur bei einer neuen Charge zu zählen. Innerhalb einer Charge ist der Wirkstoff-Gehalt für jede einzelne Kapsel quasi garantiert (mit üblichen Schwankungen von z.B. +/- 5 Prozent).
Auch wenn innerhalb einer Charge die Zahl der Pellets pro Kapsel etwas stärker als erwartet streut, ist dies noch kein Grund zur Aufregung. Die Herstellung der Pellets ist kein extrem exakter Prozess und so sind Pellets nur mehr oder weniger gleich groß oder gleich schwer.
Die entscheidende Frage ist, wie groß der Fehler ist, den man in Kauf nimmt.
Wenn eine Kapsel einer Charge eines Medikaments mit 100mg Wirkstoff pro Kapsel durchschnittlich 200 +/- 10 Pellets enthält und ich um 10% reduzieren möchte, muss ich also 10% von 200 Pellets, sprich 20 Stück entfernen. Diese 20 Pellets würden dementsprechend 10mg Wirkstoff entsprechen, jedes einzelne Pellet also 10mg/20 = 0,5mg. Entferne ich nun immer 20 Pellets, egal wie viel Pellets in der Kapsel waren, ergibt sich dieser Vergleich:
Annahme: durchschnittlich 200 Pellets/Kapsel, Wirkstoffgehalt 100mg/Kapsel, Entnahme immer genau 20 Pellets/Kapsel
Kapsel-Inhalt | 1 Pellet enth. | tatsächlich entnommen
190 Pellets | 0,5253mg | 10,5263mg
200 Pellets | 0,5000mg | 10,0000mg
210 Pellets | 0,4762mg | 09,5238mg
Der Fehler beträgt also ca. +/- 0,5mg.
Wenn die Kapsel nur 10mg Wirkstoff enthält, würde sich also ein Fehler von +/- 0,05mg ergeben.
Die Frage ist nun, ob eine exakte Zählung des Kapselinhalts nötig ist, oder ob man den möglichen Fehler von +/- 5% akzeptieren kann, zumal der Pellet-Gehalt selbst schon um ca. 5% schwankt (oder sogar mehr, weshalb die Pharmaindustrie ja eine große Zahl Pellets einfüllt).
Ist ein solcher rechnerischer Fehler von +/- 5% tolerierbar, wenn man weiter daran denkt, dass die Einnahme nicht immer 100% zum gleichen Zeitpunkt des Tages stattfindet und die Resorbtion des Medikaments auch noch von anderen Faktoren abhängt (Zeitpunkt des letzten Stuhlgangs, Fettgehalt der gegessenen Speisen, Menge der zugeführten Flüssigkeit, Tag in Ruhe oder unter Stress oder mit viel sportlicher Aktivität usw.)? Vom Gefühl her würde ich diese Unterschiede für sich genommen mit +/- 10% oder sogar mehr beziffern. Muss ich mich jetzt also selbst Stress aussetzen, indem ich die Pellets jeder einzelnen Kapsel abzähle, obwohl ich weiß, dass sie alle nicht identisch viel Wirkstoff enthalten können?
Ich hoffe, diese Gedanken helfen euch, vielleicht Unsicherheiten zu überwinden, was die manchmal recht unterschiedliche Anzahl der Kügelchen in einer Kapsel angeht.
Und bitte entschuldigt, wenn das alles sich sehr mathematisch und korrekt anhört. Manchmal sind Zahlen aber nötig, um Dinge besser zu verstehen.
Natürlich freue ich mich über jeden Diskussions-Beitrag zu diesem Thema.
Liebe Grüße
(solist) Uwe
[mod=Jamie]Um sich über die Kügelchenmethode und / oder Uwes (solist) Beitrag auszutauschen, gibt es hier einen Austauschthread:
http://adfd.org/austausch/viewtopic.php?f=35&t=12457
Die hiesige Rubrik ist schreibgeschützt und Teilnehmer können hier nicht schreiben[/mod]