Hallo in die Runde,
so, jetzt versuche ich mich in einem Update und das wird lange, denn es gab sehr viel Anstrengung in meinem Leben.
Mein Vater lag insgesamt sechs einhalb Wochen auf der Intensivstation, vom ersten bis zum letzten Tag.
Er bekam irgendwann einen Luftröhrenschnitt, über den er dann kontinuierlich beatmet wurde.
Die Ärzte ermutigten ihn zu schauen, ob es studenweise am Tag auch ohne Beatmung geht; da hat man ihm dann die Beatmung abgestellt und er hat versucht eigenständig zu atmen.
Dieses Entwöhnen wird weaning genannt.
Es ging so la la, war auf jeden Fall sehr anstrengend für ihn.
Er schwitzte bei jedem Versuch wie blöd vor Anstrengung und nahm immer weiter ab, bis er nur noch Ärmchen und Beinchen wie ein Kind hatte und keine Muskeln mehr. Da gab es dann Fresubin.
Während es sich für uns Angehörige abzeichnete, dass es ohne die Beatmung nicht geht, haben die Ärzte meiner Meinung nach meinem Vater keinen reinen Wein eingeschenkt. Sie haben ihm falsche Hoffnungen gemacht und immer wieder gesagt, es könnte noch klappen, dabei nahmen parallel die Erstickungsanfälle zu und man spritze ihm sogar Morphium gegen die Atemnot und Erstickungsangst
.
Auch hat man ihn auf Psychopharmaka gesetzt, was ich mit Argusaugen betrachte und streng überwache. Er wollte es aber. Es hat nur nichts geholfen. Es verwundert mich nicht. Die hibbelige Art meines Vaters ist sein rastloser Geist, so war er schon immer, und gegen Angst vor dem Erstickungstod hilft nichts
Während des Aufenthalts auf der Intensivstation hat das Pflegeheim, in dem mein Vater war, uns von einem Tag auf den anderen per Sonderklausel gekündigt. Begründung: Mein Vater sei ja fast nur im Krankenhaus, dem Heim entgehen wichtige Einnahmen, kurzum: er sei unrentabel
. Das passiert, wenn solche wichtigen Einrichtungen wie Pflegeheime wirtschaftlich ausgerichtet privatisiert werden.
Über den Schock kamen wir aber schnell hinweg, da uns zunehmend klarer wurde, dass mein Vater eh nicht in dieses Heim zurück kann, da er wohl nicht mehr von der Beatmungsmaschine weg kommt. Die Art und Weise finde ich dennoch unmöglich und menschenverachtend.
Also hieß es panisch ein neues Pflegeheim finden; und zwar ein Beatmungspflegeheim, deren es nicht viele in Deutschland gibt. Nun wohnen wir hier in einem großen, wirtschaftlich relevanten und strukturell starken Gebiet in Deutschland und ich weiß nicht, was für ein unfassbares Glück wir hatten und glaube, dass der Himmel ordentlich mitwirkte
, dass genau zu dem Zeitpunkt, an dem wir auf die Suche gingen und eine spezialisierte Einrichtung kontaktierten, einer der Bewohner verstarb und somit ein Platz frei wurde.
Könnt ihr euch das vorstellen? Es gibt nur 16 Pflegeplätze und einer davon wurde durch den Tod eines anderen frei und konnte direkt an meinen Vater vermittelt werden?
Es galt Überzeugungsarbeit bei meinem Vater zu leisten. Es war ja auch schwer für ihn; er wollte nicht recht. Er war ja zweifach heimatlos innerhalb von drei Monaten geworden. Zuerst haben wir seine Wohnung aufgelöst und dann hat ihn das andere Pflegeheim rausgeworfen.
Dass das nicht ohne Spuren an einem vorbeigeht, ist klar.
Aber er hatte dann auch keine Wahl. Irgendwann sah auch der optimistischste Arzt ein, dass er von der Beatmung nicht mehr runterkommt und dann hieß es sich mit der Realität auseinanderzusetzen.
Und so kam mein Vater nach 6,5 Wochen Alptraum auf der Intensivstation - und zwar für uns alle, raus und sofort in das Beatmungspflegeheim.
Ich denke ich spreche für meine ganze restliche spärliche Familie, die wir die ganze Last unter uns dreien aufteilen (meine Tante und meine Zwillingsschwester), dass wir am Ende unserer Kräfte waren und auch teilweise noch sind.
Denn es ist ja nicht so, nun einen zufriedenen und gesundheitlich stabilen Vater zu haben.
Mein Vater hadert mit seinem Schicksal und es geht ihm gesundheitlich nicht gut; er ist todkrank und trotz Beatmung wird die Lungenfunktion immer schlechter; das heißt die Atemnot ist präsenter als auf der Intensivstation und er ist teilweise sehr am japsen.
Es ist der schiere blanke unaussprechliche Horror, einem Familienmitglied beim langsamen Ersticken zugucken zu müssen und je nachdem, was das Schicksal für ihn und uns bereit hält, kann das auch noch einige Jahre so gehen.
Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wie ich das verwinden kann und soll, was da auf mich einprasselt. Es ist furchtbar und wir leiden alle sehr. Vater eingeschlossen.
Als seine Hauptbevollmächtigte in allen Fragen des Lebens habe ich nun ein weiteres Leben mitzuorganisieren - und Leute, das ist jede Woche ein neuer Unterlagen-Berg.
Dabei wäre ich reichlich selbst damit bedient, mein eigenes, von Krankheit mittlerweile doch mehr beeinflusstes Leben als erhofft, zu regeln.
Die Wochenroutine sieht nun so aus, dass meine Tante ihn zwei Mal besucht, meine Schwester zwei mal und ich zwei mal.
Da ich von Sozialhilfe lebe, gibt es kein Budget (bzw. 20€ sind ein Hohn), um die horrenden Fahrtkosten zu begleichen, die anfallen, wenn ich ihn besuchen will. Es kostet mich 10Euro das Ticket, um hin- und zurück zu kommen. Nach einer Woche ist da die Summe aufgebraucht und es bleiben noch mind. 3 Wochen übrig.
Ohne meine Mutter, die mir entweder das Auto leiht oder mir Geld für die Fahrkarten gibt, wäre ich vollkommen aufgeschmissen.
Es ist zwar so, dass mein Vater ein Taschengeld von 102 € haben darf und er mit versucht auch notfalls was zu geben, er ist aber auf einige Medikamente angewiesen, die nicht zu Lasten der GKV verordnet werden dürfen und die fressen sein Taschengeld eigentlich schon auf.
Und außerdem braucht er auch mal einen mobilen Friseur oder Fußpflege oder Hygieneartikel und was sonst noch so anfällt.
Ich habe keine Ahnung, wie das werden soll. Ich bin konstant auf die Hilfe und Unterstützung anderer angewiesen, um das bewältigen zu können
Nun möchte ich auch mal kurz ein paar Sätze zu mir da lassen.
Ich habe mittlerweile wieder begonnen Sitzungen an der Uniklinik wegen meinen Zähnen wahrzunehmen. Es ist nach wie vor der blanke Horror.
Mein Überlebensinstinkt sagt mir, dass ich da nicht mehr hin gehen soll, denn wer lässt sich schon freiwillig halb foltern und hängt anschließend noch fünf, zehn oder mehr Tage würgend, vor Übelkeit stöhnend von den Nebenwirkungen des Lokalanästhetikums in den Seilen und will sich sowas auch noch weitere Male antun?
Mein gesunder Menschenverstand kann das nur als Wahnsinn bezeichnen, gleichzeitig habe ich keine Alternative und sehe die Notwendigkeit.
Morgen ist es wieder so weit.
Ich kann dazu gar nichts weiter mehr sagen - es ist wirklich nicht begreiflich, ich sage mir jedes Mal ich muss den Verstand verloren haben mir das anzutun
Man kann das eigentlich nur noch so verwinden, dass man dem versucht einen tieferen Sinn abzugewinnen und den kann ich schon für mich erkennen, aber es ist trotzdem sehr hart.
Was die weitere Gesundheit betrifft, so dümpele ich nach meiner schweren Ohreninfektion auf irgendwas von 14 oder 15mg Esomeprazol herum und habe durch das Aufdosieren Jahre meines Entzugs verloren.
Ich nehme noch 2 Tropfen Amitriptylin und behalte die auch erst mal bei.
Ansonsten noch die Pille und L-Thyroxin gegen meine Unterfunktion der Schilddrüse.
Ich habe nach wie vor Eisenmangel und mein Ferritinspeicher ist leer, ich vertrage aber nicht einmal Babydosierungen von Eisen, ohne massiv Magenschmerzen zu bekommen.
Das Einzige, was geht, ist Floradix Kräuterblutsaft, und der ist leider so teuer, dass ich ihn mir nur ab und zu leisten kann.
Mein Schlaf ist auf konstant leidlichem Niveau. Ich schlafe mittlerweile etwas schneller ein und liege nicht erst bis um fünf wach, aber dafür bin ich alle paar Minuten wieder wach.
Ich fühle mich morgens einfach immer schlecht und unerholt - aber das ist nichts Neues.
Was sich enorm verschlechtert hat, und ich vermute, dass hängt mit einer Veränderung des ZNS durch meinen jahrelangen Schlafmangel zusammen, das ist meine Hitzeüberempfindlichkeit.
Obwohl ich alle Tipps befolge, die wichtig bei Hitze sind (luftig kleiden, Mittagshitze und direkte Sonneneinstrahlung meiden, nur zimmerwarm trinken, viel Wasser mit Elektrolyten trinken etc.) habe ich in den letzten mehr als 2 Wochen, in denen es hier fast jeden Tag um die 30°C sind und nun seit geraumer Zeit auch sehr schwül, mehrfach Anwandlungen von Hitzekollapsen gehabt.
Ich konnte mich gerade noch so nach Hause retten.
Ich fange an wie blöde zu schwitzen, mir wird flau, komisch und schwindelig und dann setzen Darmkrämpfe ein. Das ist Alarmstufe dunkelorange, denn danach folgt nur noch die Ohnmacht.
Ich habe das Thema mit meinem Hausarzt besprochen, der meine Insomnie durchaus als möglichen Grund für diese Hitzeintoleranz in Erwägung zieht und dass das eben das Nervensystem völlig verändert.
Er riet ggf. Traubenzucker mit mir zu führen und ansonsten konnte er mir auch nicht groß helfen; man könnte es noch mit Korodintropfen probieren.
Er will aber sicherheitshalber mein Blut noch mal ordentlich checken.
Ich denke, es kommt nichts bei rum, zumindest nix größer Krankhaftes.
Ich denke das kommt einfach durch meine lange Krankheits- und Leidensgeschichte und ehrlich gesagt bin ich gerade nicht sehr positiv gestimmt, dass das noch mal besser wird.
Einzige Rettung ist eine Klimaanlage, die ich mir vom Mund abgespart habe, und seit 10 Tagen besitze.
Meine Wohnung ist unterm Dach und nicht isoliert; ich leide Höllenqualen. Sind es draußen 32°C, habe ich die auch drinnen
Das, zusammen mit meinem labilen Kreislauf, ist eine Kombi für den Rettungswagen.
Ich habe wirklich Angst vor heißen Sommertagen.
Jetzt, wo ich die Klimaanlage endlich habe, sage ich mit Überzeugung: Ich würde eher mein Bett weg geben als meine Klimaanlage! Sie sichert mir mein Überleben.
So, das war ein kurzer Abriss.
Ich hätte noch mehr zu erzählen, aber das soll es für´s Erste sein.
Ich wünsche euch allen alles Gute und wer auch so mit der Hitze Probleme hat, sollte wirklich über eine Klimaanlage nachdenken. Ernsthaft.
Es gibt da auch Ratenfinanzierung über 12 oder 24 Monate, sodass man vielleicht auch mit knappem Budget hinkommt.
Jamie