Entzug kann Menschen ausknocken ("to disable")
Verfasst: 17.03.2016 23:12
Übersetzung des Unterpunktes von: http://cepuk.org/unrecognised-facts/wit ... disabling/
Grüße
Esperanza
EDIT Murmeline: Das Council of evidence-based Psychiatry ist eine englischen Organsiation von Psychiatern, Psychologen, Betroffenen und Fachleuten, die in der ambulanten Hilfe für Menschen im Entzug von Benzodiazepinen, Neuroleptika und Antidepressiva tätig sind. Mitglieder: http://cepuk.org/members/
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Council for evidence-based psychiatry:
Withdrawal can be disabling / Entzug kann Menschen "ausknocken"
Zusammenfassung:
Der Psychopharma-Entzug kann beeinträchtigend sein und eine Bandbereite an ernsthaften körperlichen und psychologischen Wirkungen haben, die oft über Monate und manchmal Jahre hinweg anhalten und in einigen Fällen sogar zu Selbstmord führen können.
Der Psychopharmaka-Entzug kann viele behindernde Langzeitfolgen haben. Die schwer-wiegenden körperlichen und psychischen Symptome können sich negativ auf viele Lebensbereiche der Betroffenen auswirken und Partnerschaften, Karrieren und finanzielle Stabilität bedrohen.
Obwohl es einige Studien gibt, die annehmen, dass der Entzug von Psychopharmaka nur einige Wochen bis Monate andauert, kann solch ein Entzug sich über sehr lange Zeiträume erstrecken. Wohltätigkeitsorganisation, die im Entzug tätig sind, berichten über Klienten, die ein oder mehrere Jahre gebraucht haben, um sich davon zu erholen.
Ian Singleton vom Bristol Tranquiliser Project sagt:“ Einmal von den Medikamenten heruntergekommen, haben die meisten Menschen mindestens ein Jahr lang Symptome… die Mehrheit erholt sich dann im zweiten Jahr. Es gibt aber auch welche, die mehrere Jahre brauchen.“
Antidepressiva
Im Vereinigten Königreich sind Antidepressiva die am häufigsten verschriebenen Psychopharmaka mit über 50 Millionen Verschreibungen in England im Jahr 2012. Mit ihrem Gebrauch gehen Nebenwirkungen einher und oft wird beim Absetzen von Entzugs-erscheinungen berichtet. Typische Antidepressiva-assoziierte Entzugssymptome sind: grippeähnliche Beschwerden, Schlaflosigkeit, Übelkeit, Unausgeglichenheit, Störungen der Empfindung und Übererregbarkeit. Schwindel, Elektroschock ähnliche Empfindungen [Anm. Zaps, BrainZaps], Durchfall, Kopfschmerzen, Muskelkrämpfe und –zittern, Erregung, Halluzinationen, Verwirrung, Unwohlsein, Schwitzen und Reizbarkeit.
Es gibt hinreichende Beweise dafür, dass das Absetzen von Antidepressiva Manie und Hypomanie verursachen kann. Naryan und Haddad kamen 2010 zu dem Schluss, dass Manie und Hypomanie valide Folgen des Absetzens von Antidepressiva sind, während Goldstein et al im Jahr 1999 in einer ähnlichen Studie schlussfolgerten, dass der Antidepressivaentzug bei Patienten mit einer bipolaren Störung manische Symptome verursacht. Die Ergebnisse legen einen paradoxen Effekt nahe, insofern, als dass das Absetzen Manie verursacht.
Eine BBC-Panorama-Sendung zum Thema Paroxetinentzug erhielt Tausende von Zuschriften von Patienten, die dieses Medikament (SSRI) nahmen. Die am häufigsten berichtete und das Leben der Betroffenen einschränkende Nebenwirkung beim Absetzen war ein charakteristisches Gefühl eines „elektrischen Empfindens im Kopf, zusammen mit einem Rauschen und Zischen“.
Und in einer neueren Studie aus dem Jahr 2013 kamen Holguin-Lew und Bell zu dem Ergebnis, dass Menschen nach dem Gebrauch von SSRI teilweise unfähig wurden zu weinen.
Sexualstörungen sind häufige SSRI und SNRI-Nebenwirkungen. Eine Studie aus dem Jahr 2002 ergab, dass zwischen 36 und 43% aller Verwender unter dieser Nebenwirkung litten. Andere Autoren schlussfolgern, dass „sexuelle Störungen von Ärzten in hohem Ausmaß unterschätzt“ werden.
Noch besorgniserregender sind die Zahlen, die darauf hindeuten, dass selbst nach dem Absetzen von Antidepressiva lang anhaltende Sexualstörungen auftreten, die unter Umständen sogar permanent anhalten.
Es ist unbedingt nötig, die Verbreitung von Sexualstörungen nach SSRI-Einnahme und andere langanhaltende Nebenwirkungen weiter zu erforschen, die von zahlreichen im Entzug tätigen Wohltätigkeitsorganisationen und Patientengruppen berichtet werden.
Dr. Stuart Shipko, ein kalifornischer Psychiater, der Studien zum Thema SSRIs durchgeführt hat, empfiehlt Patienten, die mehr als zehn Jahre lang SSRIs genommen haben, nicht länger, diese Medikamente abzusetzen, es sei denn, sie wären gewillt, beeinträchtigende Symptome wie Erregung und Ruhelosigkeit, die er „tardive akathisia“ nennt, in Kauf zu nehmen. Er schlussfolgert: „Selbst bei Patienten, die sehr langsam entziehen, treten Langzeitfolgen auf, nicht nur bei denen, die schnell entziehen. Und es gibt keine Garantie dafür, dass diese Beschwerden jemals wieder verschwinden, egal, wie lange ein Patient auch darauf warten mag“. *
Eine aktuelle Studie der OECD bestätigt eine dramatische Zunahme der Verschreibung von Antidepressiva in der Ersten Welt. Geschätzt nimmt jeder zehnte Erwachsene regelmäßig Antidepressiva ein. Diese Entwicklung ist teilweise der zunehmenden Zahl an Langzeit-anwendern geschuldet, Menschen, von denen viele sich später einmal außer Stande sehen, einen Entzug durchzuführen, weil die damit verbundenen Beschwerden unerträglich scheinen oder aber bei ihnen der Glaube herrscht, dass die zugrunde liegende Erkrankung zurückgekehrt ist oder eine neue Erkrankung hinzugekommen ist, was dazu führt, dass die Medikamente weitergenommen werden (vgl. „Nebenwirkungen führen zu mehr Medikamenten“ auf der CEP Website).
Obwohl hunderte Millionen Menschen weltweit Antidepressiva nehmen und es bekannt ist, dass diese Mittel ernsthafte Schäden anrichten können, gibt es immer noch keine Forschung bezüglich der Sicherheit einer Langzeitanwendung.
Benzodiazepine und Z-Substanzen
Im Jahr 2011 wurden in England geschätzt 17 Millionen Verschreibungen für Benzo-diazepine und Z-Substanzen (Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon) ausgestellt. Etwa eine bis anderthalb Millionen Menschen nehmen diese Medikamente regelmäßig, und dies, obwohl die Leitlinien klar besagen, dass diese Stoffe nicht länger als zwei bis vier Wochen angewendet werden sollen. Das Absetzen dieser Medikamente kann, ebenso wie deren Anwendung, einen Wust an beeinträchtigenden Nebenwirkungen nach sich ziehen, da sich bei längerem Gebrauch eine Toleranz entwickelt und somit immer höhere Dosen genommen werden müssen, um Entzugssymptome zu vermeiden.
Professorin Ashton wurde eine leitende Autorität auf dem Gebiet des Benzodiazepinentzugs, nachdem sie in den 80er Jahren einer Entzugsklinik vorstand. Sie beschreibt eine lange Liste an Entzugssymptomen, die man grob in zwei Kategorien einteilen kann: körperliche und psychologische. Psychologische Symptome können sein: Schlaflosigkeit, Albträume, gesteigerte Angst, Panikattacken, Agoraphobie (Angst vor Menschenmengen), verzerrte Wahrnehmung, Depersonalisation, Wirklichkeitsverlust, Halluzinationen, Depressionen, Besessenheit, paranoide Gedanken, Wut, Aggression, Reizbarkeit, schlechtes Gedächtnis, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und Zwangsgedanken.
Zu den körperlichen Symptomen gehören Kopfschmerzen, Schmerz / Steifheit, Kribbeln, Taubheit, verändertes Empfindungsvermögen (körperlich), Fatigue (schwere Erschöpfung), grippeähnliche Symptome, Muskelzuckungen, Stiche, „Elektroschocks“, Zittern, Schwindel, Benommenheit, Gleichgewichtsstörungen, verschwommenes Sehen / Doppeltsehen, brennende oder trockene Augen, Tinnitus, Hypersensitivität, Magen-Darm-Probleme, Verstopfung, Schmerz, Blähungen, Probleme beim Schlucken, Appetit- und Gewichts-veränderungen, trockener Mund, metallischer Geschmack, abnormer Geruch, Schwitzen, Herzklopfen, Hyperventilation, Beschwerden beim Wasserlassen, Menstruationsprobleme, Hitzewallungen und Juckreiz.
In seiner Analyse von Nebenwirkungen das Verhalten betreffend, kommt Dr. Peter Breggin zu dem Ergebnis, dass Benzodiazepine ein weit gefasstes Spektrum an unnormalen Reaktionen und gefährlichen Verhaltensstörungen verursachen können. Angst, Schlaf-losigkeit, Manie und andere Formen von Psychosen, Verfolgungswahn, Gewalttätigkeit, unsoziales Verhalten, Depressionen und Selbstmord werden genannt. Breggin beschreibt, wie die Benzodiazepine die Kognition, insbesondere das Gedächtnis, beeinträchtigen und zu Verwirrungszuständen führen können.
Mittlerweile ist anerkannt, dass Benzodiazepin-Entzugssyptome bei Langzeitanwendern noch sechs bis 18 Monate lang nach der letzten Dosis anhalten können, manchmal sogar noch länger. Wohltätigkeitsorganisationen berichten von Patienten, die drei oder vier Jahre gebraucht haben, um sich komplett zu erholen. Manche Menschen bleiben mit lang-anhaltenden Symptomen wie Tinnitus zurück, die erst viele Jahre später komplett verschwinden. Professor Ashton berichtet von verschiedenen Patienten, die auch lange nach dem Entzug noch solche Symptome aufweisen, was sie als „protrahiertes Entzugssyndrom“ bezeichnet. Ihre eigenen Patienten beklagten sich über Symptome wie Tinnitus, Angst, motorische Beschwerden, Magen-Darm-Probleme und Taubkeit / Kribbeln, die manchmal über mehr als vier Jahre anhielten. Sie schlussfolgert: „ Es bleibt möglich, dass einige verlängerte Benzodiazepin-Entzugssymptome (wie Tinnitus und andere neurologische und psychische Symptome) das Resultat eines physiko-chemischen Nervenschadens sein können.“
Es sollte festgehalten werden, dass es viele Ähnlichkeiten zwischen den Symptomen eines Benzodiazepin / Z-Substanz-Entzugs und dem Entzug von Antidepressiva gibt. Nielsen et al kamen in einer Studie aus dem Jahr 2012 zu dem Ergebnis, dass sowohl bei SSRI- als auch Benzodiazepin-Entzug „Absetzsymptome mit ähnlichen Begriffen umschrieben wurden und dass 37 der 42 genannten Symptome bei beiden Gruppen identisch waren. Daher erscheint es nicht nachvollziehbar, dass es nur beim Benzodiazepinentzug, nicht aber beim SSRI-Entzug Entzugserscheinungen geben soll“
Wohltätigkeitsorganisationen berichten ebenfalls von ähnlichen Absetzsymptomen beim Benzodiazepin- und SSRI-Entzug. Baylissa Frederick von ‚Recovery Road‘ schließt:“ Es gibt keinen wahrnehmbaren Unterschied die Entzugsbeschwerden betreffend. Beide Entzüge können der Horror sein…. gleich intensiv und langwierig und mit ähnlichen Nachwirkungen.“
Patientengruppen erzählen von einigen Betroffenen, die aufgrund der unerträglichen Entzugssymptomatik Selbstmord begangen haben. Zusätzlich berichten zwei Studien über den Ausgang von Benzodiazepinentzug von einer kleinen Anzahl von Menschen, die Selbstmord begingen. In beiden Studien wurden die Entzugssymptome als ursächlich für den Suizid vermutet.
Antipsychotika
Antipsychotika haben ein gut etabliertes Entzugsprofil wie z.B. Ängstlichkeit, Schlaflosigkeit, Ruhelosigkeit und Erregung. Ebenso ist bekannt, dass kurz nach dem Absetzen von Antipsychotika, im Speziellen Clozapin, eine psychotische Episode auftreten kann. Andere Studien zeigen eine Bandbreite an Entzugserscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Magersucht, Durchfall, Schnupfen, vermehrtes Schwitzen, Muskelschmerz, Parästhesien, Ängstlichkeit, Erregtheit, Ruhelosigkeit und Schlaflosigkeit.
Während einige Studien nahe legen, dass der Entzug von Antipsychotika nur einige Tage dauert, kommen andere Studien zu dem Ergebnis, dass Entzugssymptome sechs bis 12 Wochen andauern können, und es ist bekannt, dass bei einigen Patienten Spätdyskinesien auftreten können, eine teilweise irreversible Folge von längerer Antipsychotikaeinnahme
(Anm. der Übersetzerin: der gleiche Effekt, weswegen das Magenmittel MCP (Metoclopra-mid) gegen Übelkeit und Erbrechen in Deutschland vom Markt genommen wurde).
Andere Entzugsprobleme
Wie bei jeder anderen ernsthaften chronischen Erkrankung, kann ein Entzug vernichtende Folgen für einen Menschen haben, jenseits von körperlichen und seelischen Nebenwirkungen. Dr. Joanna Moncrieff beschreibt die Auswirkungen des Entzugs folgendermaßen: „Wenn die Symptome das Leben negativ beeinträchtigen und lange anhalten….dann können einige Menschen nicht mehr auf die Arbeit zurück gehen, verlieren ihre Stelle und brechen mit ihrer Familie, weil sie weiterhin unter Entzugsbeschwerden zu leiden haben. Sie verlieren jegliches Selbstvertrauen, werden depressiv und bekommen Angst vor der Zukunft.“
Die beeinträchtigenden Wirkungen eines Entzugs wirken sich auch negativ auf die Familienmitglieder aus, die oft mit den komplexen körperlichen und psychischen Problemen überfordert sind und sich außer Stande sehen, angemessene Hilfe und Beistand zu leisten.
Der Psychiater Dr. Ronald Gershman schreibt: „Ich habe etwa 10000 Patienten wegen Alkohol- oder Drogenproblemen behandelt und circa 1500 Benzodiazepinentzüge begleitet. Der Bezodiazepinentzug ist einer der härtesten, den wir durchführen. Er kann extrem lange dauern, etwa halb so lang wie die Benzodiazepineinnahme selbst, und der nicht enden wollende, unbarmherzige Entzug kann eines Menschen Leben zerstören. Ehen scheitern, der Broterwerb muss aufgegeben werden, Bankrott und Hospitalisierung drohen. Die schlimmste drohende Nebenwirkung ist der Selbstmord.“
Zusammenfassung
Der Psychopharmakaentzug kann oft eine verheerende Erfahrung für Patienten und ihre Angehörigen sein und wird vom medizinischen Betrieb und der Ärzteschaft massiv unterschätzt. Das CEP fordert, diesen Themenkomplex wesentlich stärker anzugehen und weitere Forschung bezüglich seiner Prävalenz und möglichen medizinischen Behandlung anzustreben. Das CEP rät weiterhin allen Ärzten und Patienten, diese Medikamente mit großer Vorsicht und so kurz wie möglich anzuwenden. Der Psychopharmakaentzug sollte stets einem langsamen, strukturierten Schema folgen und über mehrere Monate gehen.
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* Das ADFD teilt Dr. Shipkos Ansicht nicht. Aus Angst vor Absetzsymptomen gleich völlig auf den Versuch zu verzichten, diese zu reduzieren bzw. einen Versuch zu wagen ohne AD zu lebenund sie stattdessen ein Leben lang einzunehmen, scheint uns nicht zielführend.
Grüße
Esperanza
EDIT Murmeline: Das Council of evidence-based Psychiatry ist eine englischen Organsiation von Psychiatern, Psychologen, Betroffenen und Fachleuten, die in der ambulanten Hilfe für Menschen im Entzug von Benzodiazepinen, Neuroleptika und Antidepressiva tätig sind. Mitglieder: http://cepuk.org/members/
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Council for evidence-based psychiatry:
Withdrawal can be disabling / Entzug kann Menschen "ausknocken"
Zusammenfassung:
Der Psychopharma-Entzug kann beeinträchtigend sein und eine Bandbereite an ernsthaften körperlichen und psychologischen Wirkungen haben, die oft über Monate und manchmal Jahre hinweg anhalten und in einigen Fällen sogar zu Selbstmord führen können.
Der Psychopharmaka-Entzug kann viele behindernde Langzeitfolgen haben. Die schwer-wiegenden körperlichen und psychischen Symptome können sich negativ auf viele Lebensbereiche der Betroffenen auswirken und Partnerschaften, Karrieren und finanzielle Stabilität bedrohen.
Obwohl es einige Studien gibt, die annehmen, dass der Entzug von Psychopharmaka nur einige Wochen bis Monate andauert, kann solch ein Entzug sich über sehr lange Zeiträume erstrecken. Wohltätigkeitsorganisation, die im Entzug tätig sind, berichten über Klienten, die ein oder mehrere Jahre gebraucht haben, um sich davon zu erholen.
Ian Singleton vom Bristol Tranquiliser Project sagt:“ Einmal von den Medikamenten heruntergekommen, haben die meisten Menschen mindestens ein Jahr lang Symptome… die Mehrheit erholt sich dann im zweiten Jahr. Es gibt aber auch welche, die mehrere Jahre brauchen.“
Antidepressiva
Im Vereinigten Königreich sind Antidepressiva die am häufigsten verschriebenen Psychopharmaka mit über 50 Millionen Verschreibungen in England im Jahr 2012. Mit ihrem Gebrauch gehen Nebenwirkungen einher und oft wird beim Absetzen von Entzugs-erscheinungen berichtet. Typische Antidepressiva-assoziierte Entzugssymptome sind: grippeähnliche Beschwerden, Schlaflosigkeit, Übelkeit, Unausgeglichenheit, Störungen der Empfindung und Übererregbarkeit. Schwindel, Elektroschock ähnliche Empfindungen [Anm. Zaps, BrainZaps], Durchfall, Kopfschmerzen, Muskelkrämpfe und –zittern, Erregung, Halluzinationen, Verwirrung, Unwohlsein, Schwitzen und Reizbarkeit.
Es gibt hinreichende Beweise dafür, dass das Absetzen von Antidepressiva Manie und Hypomanie verursachen kann. Naryan und Haddad kamen 2010 zu dem Schluss, dass Manie und Hypomanie valide Folgen des Absetzens von Antidepressiva sind, während Goldstein et al im Jahr 1999 in einer ähnlichen Studie schlussfolgerten, dass der Antidepressivaentzug bei Patienten mit einer bipolaren Störung manische Symptome verursacht. Die Ergebnisse legen einen paradoxen Effekt nahe, insofern, als dass das Absetzen Manie verursacht.
Eine BBC-Panorama-Sendung zum Thema Paroxetinentzug erhielt Tausende von Zuschriften von Patienten, die dieses Medikament (SSRI) nahmen. Die am häufigsten berichtete und das Leben der Betroffenen einschränkende Nebenwirkung beim Absetzen war ein charakteristisches Gefühl eines „elektrischen Empfindens im Kopf, zusammen mit einem Rauschen und Zischen“.
Und in einer neueren Studie aus dem Jahr 2013 kamen Holguin-Lew und Bell zu dem Ergebnis, dass Menschen nach dem Gebrauch von SSRI teilweise unfähig wurden zu weinen.
Sexualstörungen sind häufige SSRI und SNRI-Nebenwirkungen. Eine Studie aus dem Jahr 2002 ergab, dass zwischen 36 und 43% aller Verwender unter dieser Nebenwirkung litten. Andere Autoren schlussfolgern, dass „sexuelle Störungen von Ärzten in hohem Ausmaß unterschätzt“ werden.
Noch besorgniserregender sind die Zahlen, die darauf hindeuten, dass selbst nach dem Absetzen von Antidepressiva lang anhaltende Sexualstörungen auftreten, die unter Umständen sogar permanent anhalten.
Es ist unbedingt nötig, die Verbreitung von Sexualstörungen nach SSRI-Einnahme und andere langanhaltende Nebenwirkungen weiter zu erforschen, die von zahlreichen im Entzug tätigen Wohltätigkeitsorganisationen und Patientengruppen berichtet werden.
Dr. Stuart Shipko, ein kalifornischer Psychiater, der Studien zum Thema SSRIs durchgeführt hat, empfiehlt Patienten, die mehr als zehn Jahre lang SSRIs genommen haben, nicht länger, diese Medikamente abzusetzen, es sei denn, sie wären gewillt, beeinträchtigende Symptome wie Erregung und Ruhelosigkeit, die er „tardive akathisia“ nennt, in Kauf zu nehmen. Er schlussfolgert: „Selbst bei Patienten, die sehr langsam entziehen, treten Langzeitfolgen auf, nicht nur bei denen, die schnell entziehen. Und es gibt keine Garantie dafür, dass diese Beschwerden jemals wieder verschwinden, egal, wie lange ein Patient auch darauf warten mag“. *
Eine aktuelle Studie der OECD bestätigt eine dramatische Zunahme der Verschreibung von Antidepressiva in der Ersten Welt. Geschätzt nimmt jeder zehnte Erwachsene regelmäßig Antidepressiva ein. Diese Entwicklung ist teilweise der zunehmenden Zahl an Langzeit-anwendern geschuldet, Menschen, von denen viele sich später einmal außer Stande sehen, einen Entzug durchzuführen, weil die damit verbundenen Beschwerden unerträglich scheinen oder aber bei ihnen der Glaube herrscht, dass die zugrunde liegende Erkrankung zurückgekehrt ist oder eine neue Erkrankung hinzugekommen ist, was dazu führt, dass die Medikamente weitergenommen werden (vgl. „Nebenwirkungen führen zu mehr Medikamenten“ auf der CEP Website).
Obwohl hunderte Millionen Menschen weltweit Antidepressiva nehmen und es bekannt ist, dass diese Mittel ernsthafte Schäden anrichten können, gibt es immer noch keine Forschung bezüglich der Sicherheit einer Langzeitanwendung.
Benzodiazepine und Z-Substanzen
Im Jahr 2011 wurden in England geschätzt 17 Millionen Verschreibungen für Benzo-diazepine und Z-Substanzen (Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon) ausgestellt. Etwa eine bis anderthalb Millionen Menschen nehmen diese Medikamente regelmäßig, und dies, obwohl die Leitlinien klar besagen, dass diese Stoffe nicht länger als zwei bis vier Wochen angewendet werden sollen. Das Absetzen dieser Medikamente kann, ebenso wie deren Anwendung, einen Wust an beeinträchtigenden Nebenwirkungen nach sich ziehen, da sich bei längerem Gebrauch eine Toleranz entwickelt und somit immer höhere Dosen genommen werden müssen, um Entzugssymptome zu vermeiden.
Professorin Ashton wurde eine leitende Autorität auf dem Gebiet des Benzodiazepinentzugs, nachdem sie in den 80er Jahren einer Entzugsklinik vorstand. Sie beschreibt eine lange Liste an Entzugssymptomen, die man grob in zwei Kategorien einteilen kann: körperliche und psychologische. Psychologische Symptome können sein: Schlaflosigkeit, Albträume, gesteigerte Angst, Panikattacken, Agoraphobie (Angst vor Menschenmengen), verzerrte Wahrnehmung, Depersonalisation, Wirklichkeitsverlust, Halluzinationen, Depressionen, Besessenheit, paranoide Gedanken, Wut, Aggression, Reizbarkeit, schlechtes Gedächtnis, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und Zwangsgedanken.
Zu den körperlichen Symptomen gehören Kopfschmerzen, Schmerz / Steifheit, Kribbeln, Taubheit, verändertes Empfindungsvermögen (körperlich), Fatigue (schwere Erschöpfung), grippeähnliche Symptome, Muskelzuckungen, Stiche, „Elektroschocks“, Zittern, Schwindel, Benommenheit, Gleichgewichtsstörungen, verschwommenes Sehen / Doppeltsehen, brennende oder trockene Augen, Tinnitus, Hypersensitivität, Magen-Darm-Probleme, Verstopfung, Schmerz, Blähungen, Probleme beim Schlucken, Appetit- und Gewichts-veränderungen, trockener Mund, metallischer Geschmack, abnormer Geruch, Schwitzen, Herzklopfen, Hyperventilation, Beschwerden beim Wasserlassen, Menstruationsprobleme, Hitzewallungen und Juckreiz.
In seiner Analyse von Nebenwirkungen das Verhalten betreffend, kommt Dr. Peter Breggin zu dem Ergebnis, dass Benzodiazepine ein weit gefasstes Spektrum an unnormalen Reaktionen und gefährlichen Verhaltensstörungen verursachen können. Angst, Schlaf-losigkeit, Manie und andere Formen von Psychosen, Verfolgungswahn, Gewalttätigkeit, unsoziales Verhalten, Depressionen und Selbstmord werden genannt. Breggin beschreibt, wie die Benzodiazepine die Kognition, insbesondere das Gedächtnis, beeinträchtigen und zu Verwirrungszuständen führen können.
Mittlerweile ist anerkannt, dass Benzodiazepin-Entzugssyptome bei Langzeitanwendern noch sechs bis 18 Monate lang nach der letzten Dosis anhalten können, manchmal sogar noch länger. Wohltätigkeitsorganisationen berichten von Patienten, die drei oder vier Jahre gebraucht haben, um sich komplett zu erholen. Manche Menschen bleiben mit lang-anhaltenden Symptomen wie Tinnitus zurück, die erst viele Jahre später komplett verschwinden. Professor Ashton berichtet von verschiedenen Patienten, die auch lange nach dem Entzug noch solche Symptome aufweisen, was sie als „protrahiertes Entzugssyndrom“ bezeichnet. Ihre eigenen Patienten beklagten sich über Symptome wie Tinnitus, Angst, motorische Beschwerden, Magen-Darm-Probleme und Taubkeit / Kribbeln, die manchmal über mehr als vier Jahre anhielten. Sie schlussfolgert: „ Es bleibt möglich, dass einige verlängerte Benzodiazepin-Entzugssymptome (wie Tinnitus und andere neurologische und psychische Symptome) das Resultat eines physiko-chemischen Nervenschadens sein können.“
Es sollte festgehalten werden, dass es viele Ähnlichkeiten zwischen den Symptomen eines Benzodiazepin / Z-Substanz-Entzugs und dem Entzug von Antidepressiva gibt. Nielsen et al kamen in einer Studie aus dem Jahr 2012 zu dem Ergebnis, dass sowohl bei SSRI- als auch Benzodiazepin-Entzug „Absetzsymptome mit ähnlichen Begriffen umschrieben wurden und dass 37 der 42 genannten Symptome bei beiden Gruppen identisch waren. Daher erscheint es nicht nachvollziehbar, dass es nur beim Benzodiazepinentzug, nicht aber beim SSRI-Entzug Entzugserscheinungen geben soll“
Wohltätigkeitsorganisationen berichten ebenfalls von ähnlichen Absetzsymptomen beim Benzodiazepin- und SSRI-Entzug. Baylissa Frederick von ‚Recovery Road‘ schließt:“ Es gibt keinen wahrnehmbaren Unterschied die Entzugsbeschwerden betreffend. Beide Entzüge können der Horror sein…. gleich intensiv und langwierig und mit ähnlichen Nachwirkungen.“
Patientengruppen erzählen von einigen Betroffenen, die aufgrund der unerträglichen Entzugssymptomatik Selbstmord begangen haben. Zusätzlich berichten zwei Studien über den Ausgang von Benzodiazepinentzug von einer kleinen Anzahl von Menschen, die Selbstmord begingen. In beiden Studien wurden die Entzugssymptome als ursächlich für den Suizid vermutet.
Antipsychotika
Antipsychotika haben ein gut etabliertes Entzugsprofil wie z.B. Ängstlichkeit, Schlaflosigkeit, Ruhelosigkeit und Erregung. Ebenso ist bekannt, dass kurz nach dem Absetzen von Antipsychotika, im Speziellen Clozapin, eine psychotische Episode auftreten kann. Andere Studien zeigen eine Bandbreite an Entzugserscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Magersucht, Durchfall, Schnupfen, vermehrtes Schwitzen, Muskelschmerz, Parästhesien, Ängstlichkeit, Erregtheit, Ruhelosigkeit und Schlaflosigkeit.
Während einige Studien nahe legen, dass der Entzug von Antipsychotika nur einige Tage dauert, kommen andere Studien zu dem Ergebnis, dass Entzugssymptome sechs bis 12 Wochen andauern können, und es ist bekannt, dass bei einigen Patienten Spätdyskinesien auftreten können, eine teilweise irreversible Folge von längerer Antipsychotikaeinnahme
(Anm. der Übersetzerin: der gleiche Effekt, weswegen das Magenmittel MCP (Metoclopra-mid) gegen Übelkeit und Erbrechen in Deutschland vom Markt genommen wurde).
Andere Entzugsprobleme
Wie bei jeder anderen ernsthaften chronischen Erkrankung, kann ein Entzug vernichtende Folgen für einen Menschen haben, jenseits von körperlichen und seelischen Nebenwirkungen. Dr. Joanna Moncrieff beschreibt die Auswirkungen des Entzugs folgendermaßen: „Wenn die Symptome das Leben negativ beeinträchtigen und lange anhalten….dann können einige Menschen nicht mehr auf die Arbeit zurück gehen, verlieren ihre Stelle und brechen mit ihrer Familie, weil sie weiterhin unter Entzugsbeschwerden zu leiden haben. Sie verlieren jegliches Selbstvertrauen, werden depressiv und bekommen Angst vor der Zukunft.“
Die beeinträchtigenden Wirkungen eines Entzugs wirken sich auch negativ auf die Familienmitglieder aus, die oft mit den komplexen körperlichen und psychischen Problemen überfordert sind und sich außer Stande sehen, angemessene Hilfe und Beistand zu leisten.
Der Psychiater Dr. Ronald Gershman schreibt: „Ich habe etwa 10000 Patienten wegen Alkohol- oder Drogenproblemen behandelt und circa 1500 Benzodiazepinentzüge begleitet. Der Bezodiazepinentzug ist einer der härtesten, den wir durchführen. Er kann extrem lange dauern, etwa halb so lang wie die Benzodiazepineinnahme selbst, und der nicht enden wollende, unbarmherzige Entzug kann eines Menschen Leben zerstören. Ehen scheitern, der Broterwerb muss aufgegeben werden, Bankrott und Hospitalisierung drohen. Die schlimmste drohende Nebenwirkung ist der Selbstmord.“
Zusammenfassung
Der Psychopharmakaentzug kann oft eine verheerende Erfahrung für Patienten und ihre Angehörigen sein und wird vom medizinischen Betrieb und der Ärzteschaft massiv unterschätzt. Das CEP fordert, diesen Themenkomplex wesentlich stärker anzugehen und weitere Forschung bezüglich seiner Prävalenz und möglichen medizinischen Behandlung anzustreben. Das CEP rät weiterhin allen Ärzten und Patienten, diese Medikamente mit großer Vorsicht und so kurz wie möglich anzuwenden. Der Psychopharmakaentzug sollte stets einem langsamen, strukturierten Schema folgen und über mehrere Monate gehen.
______________________
* Das ADFD teilt Dr. Shipkos Ansicht nicht. Aus Angst vor Absetzsymptomen gleich völlig auf den Versuch zu verzichten, diese zu reduzieren bzw. einen Versuch zu wagen ohne AD zu lebenund sie stattdessen ein Leben lang einzunehmen, scheint uns nicht zielführend.