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Übersetzung: Eine schöne neue Welt - Somatische Psychiatrie im Blickpunkt

Eine Sammlung von Artikeln, die über wissenschaftliche, politische und wirtschaftliche Hintergründe der Behandlung von seelischen Leiden mit Psychopharmaka berichten.
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Rosenrot
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Übersetzung: Eine schöne neue Welt - Somatische Psychiatrie im Blickpunkt

Beitrag von Rosenrot »

Liebe Community, :)

dieser Artikel von Robert Berezin, MD, erschien am 1. November 2017 auf Mad in America und geht besonders auf die Antidepressiva-Problematik ein. Achtung: Manchmal ist er ironisch. :wink:

Quelle: https://www.madinamerica.com/2017/11/a- ... spotlight/

Eine schöne neue Welt – Somatische Psychiatrie im Blickpunkt

Von
Robert Berezin, MD
1. November 2017

Die somatische Psychiatrie hat sich der ursprünglichen Psychiatrie übergestülpt und ein ehemals detailliertes Verständnis für die menschliche Natur durch eine falsche Theorie ersetzt. Die grundlegende und falsche Prämisse der somatischen Psychiatrie sieht die Ursache psychischer Probleme in Störungen des Gehirns. Dieser falsche Glaube behandelt uns als Opfer von Hirnschädigungen, die es zu beheben gilt. Heute teilen nahezu alle Psychiater sowie die breite Öffentlichkeit diese irrige Grundannahme. Die Behandlungsmethoden umfassen Lobotomien, Elektrokrampftherapien und die Verabreichung von Psychopharmaka. (Für eine umfassende Darstellung der somatischen Psychiatrie verweise ich auf den Anhang meines Buches „Do No Harm: The Destructive History of Pharmaceutical Psychiatry and its Bedfellows – Electroshock, Insulin Shock, and Lobotomies.“ Link)
Im Gegensatz zur Neurologie geht und ging es bei der Psychiatrie niemals um Gehirnschäden. Vielmehr ist es die Neuorologie, die sich eigentlich mit organischen Hirnkrankheiten und -schädigungen – wie anatomischen Verformungen, dem Absterben von Hirnzellen durch Schlaganfälle oder Blutungen, den Schädigungen durch Tumore, Infektionen, Anfallsleiden, Gehirnerschütterungen, dementiellen Erkrankungen, Vergiftungen usw. - befasst. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen organischen Krankheiten und funktionalen Einschränkungen. Die funktionalen Einschränkungen beziehen sich nicht auf das physische Gehirn, sondern auf das daraus entstehende Bewusstsein. Die Psychiatrie wiederum befasst sich mit den Schmerzen des Lebens, welche sich im Gehirn auf ganz andere Art und Weise manifestieren.
Wie ich bereits in anderen Blogs darlegte, dient der komplexeste Aufbau des Gehirns dem Schreiben des Bewusstseinsspiels. Wir schreiben unsere Stücke, während wir unser Leben leben. Diese Stücke werden durch die emotionalen Zentren unseres Gehirns, der Amygdala und dem limbischen System, geschrieben. Traumata – insbesondere frühkindlicher, aber auch fortgesetzter und späterer Verlust und Misshandlungen – beeinflussen das Skript unseres Stückes. Die Erfahrung von Traumata führt dazu, düstere Stücke zu schreiben. Darin besteht die wahre Ursache psychiatrischen Leids. Unsere Stücke passen sich der Funktionsweise unseres Bewusstseins an. Das Spiel und seine Ausgestaltung definieren die funktionalen Gegebenheiten.

Die somatische Psychiatrie hat die Definition dessen, was „biologisch“ ist, an sich gerissen. Wir sind ohne Frage biologische Wesen. Und, ja, alles, was wir wissen, denken und fühlen, entstammt unserem Gehirn. Aber psychiatrische Symptome entstehen nicht durch Hirnverletzungen. Es geht nicht um Anatomie, strukturelle Konnektivität oder die Mikrobiologie von Synapsen und Neurotransmittern.
Obsessionen, Zwänge, Phobien, Ängste, Depressionen, ja selbst Schizophrenie und bipolare Störungen reflektieren die Art und Weise, wie unser Stück unter Einbeziehung von Traumata geschrieben wird. Das ist die wirkliche Ebene, auf der unsere Biologie psychiatrisch wirkt.

Die angemessene Behandlung besteht in Psychotherapie. Durch Psychotherapie erholt man sich in einem vertrauensvollen Setting von problematischen Spielen, indem man sie mit der Unterstützung eines empathischen Therapeuten betrauert. Das Trauma wird insbesondere in dem Zusammenhang geheilt, in dem es entstanden ist.

Historisch wurden psychiatrische Diagnosen niemals als Hinweis auf Hirnschädigungen gewertet. Sie waren vielmehr ein Kürzel und ein Hinweis auf psychische Probleme. So sollten wir auch heute damit umgehen. Die Art, wie Diagnosen heute verwendet werden, gleicht einer Travestie. Psychiatrischen Patienten wird gesagt, sie hätten eine Hirnerkrankung. Und sie glauben dann wirklich, dass irgendetwas in genetischer oder biochemischer Hinsicht mit ihnen nicht stimme. Diagnosen waren niemals dazu bestimmt, uns abzustempeln oder uns in unserer Menschlichkeit herabzuwürdigen. Psychiatrische Symptome, psychiatrisches Leid sind ein rein menschliches Leid. Ich benutze überhaupt keine Diagnosen. Ich wende mich dem Menschen zu. Symptome weisen auf Probleme hin, denen ich mich widme, wenn sie sich selbst zeigen. Psychotherapie ist die einzige menschliche, respektvolle und umsorgende Methode. Und sie funktioniert.

Lassen Sie uns einen kurzen Rückblick auf die Geschichte der somatischen Psychiatrie werfen – und auf die fehlerhafte Wissenschaft, die ihre Verbreitung forciert. Im Falle von Lobotomien schien der präfrontale Kortex der offensichtliche Sitz menschlicher Probleme zu sein. Da dieser Teil des Gehirns das Problem ist, wie wär’s, wenn wir den Frontallappen einfach rausschneiden? Falls über diese Art von Wissenschaft Uneinigkeit besteht: Antonio Egas Muniz, der Erfinder und Förderer dieser mittelalterlichen Tortur, erhielt tatsächlich den Nobel-Preis für seine große Errungenschaft. Glücklicherweise scheint dieses dunkle Kapitel der Psychiatriegeschichte abgeschlossen zu sein. Aber ziehen Sie nur keine voreiligen Schlüsse! Nun ist es in neuer Form zurückgekehrt – als Versprechen neuer Medikamente, traumatische Erinnerungen ausradieren zu können. (Link). Das Leben kann so schön sein. Lasst uns die schlechten Hirnzellen rauswerfen und die guten behalten. Lassen wir das Gedächtnis sich selbst kontrollieren. Diese neue verbesserte Methode ist tatsächlich eine chemische Psycho-Operation. Eine wahrhaft schöne neue Welt. – Jedoch: Das Leben ist schwierig. Traumata hinterlassen Narben. Es gibt nur einen Weg, mit Trauma, Verlust und Schmerz umzugehen. Und der ist, zu trauern. Das ist Teil des Menschseins.
Schockbehandlungen, seien sie elektrischer oder chemischer Natur, werfen das Behandlungswissen um Jahrhunderte zurück. Und dies, um einen Anfall zu evozieren. Wissenschaft war zu allen Zeiten bizarr. In der Theorie sind Anfallsleiden das Gegenteil von Schizophrenie. So soll denn ein Anfall das Ungleichgewicht im Gehirn ausgleichen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Es klingt wie die Prozac-Theorie vom Korrigieren chemischer Imbalancen im Gehirn (eine Theorie, die ebenfalls verworfen wurde). Bis zum heutigen Tage halten viele Psychiater Schockbehandlungen für das psychiatrische Mittel der Wahl. Die somatische Psychiatrie hat nun zu neurostimulierenden Therapeutika gewechselt - Tiefenhirnstimulation. Wir lokalisieren ein winziges Areal von Hirnzellen, löschen sie und reparieren damit den beschädigten Zellhaufen sowie die verbundenen Zellen. Jetzt geht es los. Wir sind bereits dabei, mittels evidenzbasierter Studien die angebliche Wirksamkeit von Tiefenhirnstimulation bei „Krankheiten“ wie Depression, Zwangsstörungen, Phobien, PTBS, Ängsten und Schizophrenie zu untermauern. Millionen von Dollar werden zur Beweisführung dieser verheißungsvollen Theorie aufgewendet. Und mit der richtigen Marketingstrategie verwandelt sich die Theorie schnell in Glauben. Zu gegebener Zeit wird sich zeigen, dass diese Behandlungen keinen konstruktiven Beitrag leisten, und die Psychiatrie wird sich etwas Neues einfallen lassen.

In der psychiatrischen Pharmazie hat es seit Jahren keine neuen Entwicklungen gegeben. Während wir in die Blütezeit der Antidepressiva eintraten, wurde uns erklärt, dass die „biologische Depression“ endlich geheilt werden könne. Nehmt alle Prozac! Tatsächlich geschah das Gegenteil. Die Zahl der Suizid-Toten hat sich von 1999 bis 2014 um 24 % erhöht und rangiert heute auf Platz 10 der Todesursachen in den USA. Die New York Times berichtete am 22. April 2016 (Link), dass gemäß dem National Center for Health Statistics im Verlauf einer Studie die Suizid-Rate bei Frauen zwischen 45 und 64 Jahren um 63 % und bei Männern gleichen Alters um 43 % anstieg. Tatsächlich wurden die Beipackzettel von Antidepressiva mit Black-Box-Warnungen für Kinder und Jugendliche versehen, da Antidepressiva als eine mögliche Suizid-Ursache erkannt wurden. Der wirkliche Beweis zeigt deutlich, dass diese Gefahr natürlich auch für Erwachsene besteht. Vergesst die Nebenwirkungen – wo doch Menschen von ihren Gefühlen abgetrennt werden, keine Libido haben und Abhängigkeit sowie Gewöhnung entwickeln. Es ist nahezu unmöglich, diese Medikamente ohne schreckliche und kräftezehrende Symptome zu entziehen. Nun wird den Patienten erzählt, sie müssten die Antidepressiva für den Rest ihres Lebens einnehmen. Und wenn sich eine Gewöhnung einstellt, werden neue Medikamente dazu genommen.

Ben Goldacre enthüllt in seinem erhellenden Ted-Vortrag „Was Ärzte über die Medikamente, die sie verschreiben, nicht wissen“ (Link) die Wissenschaft hinter ‚evidenzbasierten‘ Studien, die eben nur dem Namen nach evidenzbasiert sind. Ein Blick auf die Antidepressiva-Studien der letzten 15 Jahre zeigt, dass von 76 Studien 50 % positiv und 50 % negativ waren. Die positiven Studien wurden vollzählig veröffentlicht, während die negativen Studien bis auf 3 Ausnahmen unter Verschluss gehalten und nicht veröffentlicht wurden. Im Jahr 2004 legte die Hälfte der Studien, die nicht bereits im Vorfeld von der Pharmaindustrie zurückgehalten worden waren, den Schluss nahe, dass Antidepressiva kaum besser als ein Placebo wirkten. Und 2/3 der mit Kindern durchgeführten Studien kamen zum gleichen Ergebnis. Selbst bei den positiven Studien, in denen die Wirksamkeit als wissenschaftlich belegt gilt, lautet die Vorgabe: Wenn die Antidepressiva zu 40 % wirken und Placebos zu 30 %, wird die Wirksamkeit als erwiesen erachtet. Das bedeutet, dass Antidepressiva in der Hälfte der Studien zu 10 % wirken. Bei ernstzunehmender Wissenschaft bestätigt die Ausnahme die Regel. Um eine Theorie zu bestätigen, muss eine 100-%-ige Wirksamkeit gegeben sein.

Psychiater bewegen sich nun, da die Kenntnis von der Unwirksamkeit von Antidepressiva durchsickert, in neue, bizarre Richtungen. Halluzinogene Medikamente werden als Heilmittel bei Depressionen, Alkoholismus und den übrigen psychiatrischen Diagnosen angepriesen. Die ‚evidenzbasierten Studien‘ stehen am Anfang und machen, was nicht überrascht, große Verheißungen. Das hier ist gut: Ein Bakterium in unserem Darm ist die Ursache für Depressionen. Die neue Theorie erzählt vom mikrobischen Ungleichgewicht als Grund für Depressionen – packen Sie sie zur Serotonin-Ungleichgewicht-Theorie. Und wieder stellen ‚evidenzbasierte Studien‘ vielversprechende Ergebnisse in Aussicht.

Die somatische Psychiatrie wurde so wirkungsvoll vermarktet, dass die meisten Leute daran glauben. Und Glaube ist so kraftvoll. Es wird heute als vernünftig und hilfreich angesehen, eine psychoaktive Pille bei rein menschlichen Problemen einzunehmen. Sollen wir es heute wirklich ernstnehmen, dass ein Bakterium in unserem Darm Depressionen auslöst? Sollen wir wirklich psychoaktive Drogen einwerfen, damit unser Leben in geregelten Bahnen verläuft? Glauben Sie das? Vielleicht sollten wir unsere Gehirne mittels Tiefenhirnstimulation auslöschen? Lasst uns unsere Hüte festhalten!
Arianrhod
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Re: Übersetzung: Eine schöne neue Welt - Somatische Psychiatrie im Blickpunkt

Beitrag von Arianrhod »

DAAAAAANKE!

Ich wollte noch dazu sagen, es ging auch um die Gleichstellung der Psychiater als "richtige Ärzte": Mit dem Biologismus . konnten sie sich wie exakte Wissenschafter fühlen, die die Seele ans Tageslicht zerren, sezieren, unters Mikroskop legen und chemisch behandeln.....Psychotherapie ist für diese Hardcorenaturwissenschafttler ja "nur Gelabere"., da züchtet man lieber depressive Mäuse mit Gendefekten und "forscht" an denen......ist der Patient symptomfrei, ist das Werk getan.....auch wenn es dem Meenschen hinterher NOCH schlechter gehen sollte als vor der Behandlung.....
Diese Anerkennung war Psychiatern sehr, sehr wichtig.

liebe Grüße Arian
[spoil]2005 mit Burnout und Depression in eine Tagesklinik gekommen.

Zuerst einmonatige Behandlung mit diversen Antidepressiva: Doxepin, Mirtazipin, Sulprid,
hypomane Reaktion
wobei die AD sofort und ohne Ausschleichen von den Ärzten abgesetzt wurden.


Verschiedene Diagnosen: schizoaffektive Psychose, Depression, bipolare Störung, Schizophrenie, dissoziative Identitätsstörung


Erst 2 Jahre Behandlung mit Amisulprid . Zu schnell auf eigene Faust abgesetzt.
Schwere Supersensitivitätspsychose .

Einstellen auf verschiedene Neuroleptika: Haloperidol, Quetiapin, Olanzapin, Risperidon, Paliperidon, Aripiprazol
Außerdem Lorazepam, Promethazin, Chlorprothixen, Melperon, Pipamperon

jahrelang , vieles gleichzeitig und in höchster Dosierung.
u.a. Berentung, 60 kg Gewichtszunahme
seit 2012 Ausschleichen von 800 mg Quetiapin retard innerhalb von 2 Jahren.
Meinen Absetzbericht findet man hier:
http://adfd.org/austausch/viewtopic.php ... 47#p120447
Seit Januar 2014 keine Neuroleptika mehr.

Ich leide seit 3 Jahren unter Nervenschmerzen, Kribbeln und Lähmungen. Bei mir wurde eine Polyneuropathie diagnostiziert und ein Zusammenhang mit NL vermutet - leider nicht beweisbar.

Außer Neuroleptika habe ich zwischenzeitlich auch Oxycodon ( ein Opioid) und Trimipramin nach zweijähriger Einnahme abgesetzt , die ich wegen chronischer Schmerzen verschrieben bekommen habe.
Pregabalin habe ich am 7.9.2016 endgültig ausgeschlichen.

Die Anzahl meiner Dauermedikamente beträgt gerade "0". :)

Ich weiß mittlerweile 2019 , dass ich Asperger- Autistin bin .
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